Welt des Roten Drachen
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Mit etwas Geduld und Glück können Sie hier in Ostwestfalen-Lippe einen besonders eindrucksvollen Greifvogel, den Rotmilan (lat. Milvus milvus) beobachten. In den vergangenen Jahren wurden hier im südlichen Kreisgebiet mehr und mehr Horste von Rotmilanen entdeckt, denn hier liegt ein Schwerpunkt der Verbreitung.
Die charakteristischen Vögel mit ihrem hellen Kopf, der rötlichen Farbe, den großen, schlanken Flügeln und dem gegabelten Schwanz (deswegen werden sie im Volksmund auch als „Gabelweihe“ bezeichnet) erreichen bis zu 170 Zentimeter Spannweite und die Weibchen bis zu 1600 Gramm Gewicht.
Der Rotmilan kommt nur in Europa vor. Mehr als 60 % der rund 22.000 Brutpaare nisten in Deutschland. Das mag zunächst viel klingen, ist es im Vergleich zu anderen Arten jedoch nicht. Rotmilane sind bedroht, nicht durch Jäger, denn das ist in Deutschland verboten, sondern durch die Bereinigung der Landschaften und deren intensive landwirtschaftliche Nutzung. Ein anderes Problem sind Vergiftungen – als Aasfresser ist der Rotmilan der erste, der von vergifteten Nagern in Mitleidenschaft gezogen wird. Auch der fortschreitende Ausbau von Windkraftanlagen stellt eine wachsende Bedrohung für die Vögel dar.
Ende Februar und Anfang März kommen die „Roten Drachen“, wie sie oft genannt werden, aus ihren Winterquartieren zurück. Dann sind sie häufig zu beobachten, wenn sie in frisch gepflügten Feldern Regenwürmer und andere Kraftnahrung nach dem anstrengenden Flug suchen.
In den folgenden Wochen sind sie oft dort zu beobachten, wo sie im vorigen Jahr nisteten. Der alte Horst wird ausgebessert und wieder genutzt. Haben sich jedoch schon vorher Untermieter wie Bussarde oder Nilgänse eingenistet, baut der Rotmilan einen neuen Horst. Meist nutzen sie dafür größere Bäume an Waldrändern oder Baumreihen, um in 15 bis 30 Metern Höhe ihr Heim einzurichten.
Im April erreicht die Balz ihren Höhepunkt. Rivalen werden von den Partnern des Reviers verwiesen. Das Männchen übergibt seiner Auserwählten oft in spektakulären Flugmanövern Futter – die Liebe geht eben durch den Magen.
Ende April bis Mai werden meist drei Eier gelegt. Das Weibchen fängt schon mit dem ersten Ei an zu brüten, deswegen schlüpfen auch die Jungen nacheinander und noch lange ist dann ihr Altersunterschied erkennbar. Rund einen Monat wird gebrütet – dabei löst das Männchen durchaus seine Partnerin ab. In den ersten Tagen nach dem Schlüpfen bleibt vor allem die Mutter oft noch lange am Nest, später kommen die Eltern nur noch zu den Fütterungen. Gefüttert wird der Nachwuchs meist mit anderen Jungvögeln, die aus dem Nest fielen. Schnell kommen kleine Nager hinzu. Auch Aas nimmt einen großen Anteil auf dem Speiseplan ein.
Für die Landwirte sind Rotmilane in dieser Zeit sehr nützlich. Nicht nur, weil sie pro Tag durchaus ein Dutzend Mäuse erbeuten können, sondern auch, weil sie beispielsweise bei der Wiesenmahd getötete Tiere weg schaffen. Werden die nicht bemerkt und entfernt, können sie die Silage vergiften.
Nach etwa 50 Tagen fliegen die Jungen aus. Im Spätsommer bilden Rotmilane Gemeinschaften – oft halten sie sich in Gruppen von einem Dutzend oder mehr Tieren in bestimmten Regionen auf. Hin und wieder gesellen sich junge Bussarde hinzu. Im Oktober starten sie dann zu ihrem Flug in die Winterquartiere in Südfrankreich, in der Schweiz oder auf der iberischen Halbinsel. Dort finden sie genug Futter. In der Nähe der Futterplätze bilden sie Schlafgemeinschaften von bis zu mehreren hundert Tieren, wenn sie sich abends in Bäumen nieder lassen.
Die erwachsenen Rotmilane machen sich je nach Witterung im Februar auf den Heimweg, während die Jungtiere oft länger in den Winterquartieren bleiben.
Film über den Rotmilan
Um den Rotmilan und seine Lebensweise bekannt zu machen, beauftragte der Kreis Lippe zwei Tierfilmer. Für das Projekt „Das Jahr des Rotmilans“ Robin Jähne und Sarah Herbort arbeiteten mehr als zwei Jahre an einer Filmdokumentation über diese schönen und nützlichen Greifvögel. Heraus kam ein ungewöhnlicher 45-Minuten Film über „Lippes elegante Greife“ mit faszinierenden Einblicken in das Leben der Rotmilane.
Infos zum Film unter www.naturdoku.de
Die Arbeitsgruppe der Rotmilanfreunde in Lippe setzt sich seit vielen Jahren für den Schutz und die Erforschung der Tiere ein.
Quelle: Robin Jähne